Istina je prava novost.

Predigt von Rektor der Kroatischen Katholischen Universität Željko Tanjić bei der Messe am 16. Mai in Bleiburg

Die Predigt von Rektor der Kroatischen Katholischen Universität in Zagreb Željko Tanjić bei der Messe anlässlich des 80. Jahrestages der Tragödie von Bleiburg am 16. Mai 2025 in Bleiburg im Wortlaut.

Prof. Dr. Željko Tanjić
Rektor der Kroatischen Katholischen Universität

Predigt bei der Heiligen Messe anlässlich des 80. Jahrestages der Tragödie von Bleiburg und des Kreuzweges

Freitag, 16. Mai 2025 um 18 Uhr
Pfarrkirche St. Peter und Paul in Bleiburg

Liebe Brüder und Schwestern,
auch in diesem Jahr sind wir auf dem Bleiburger Feld versammelt, einem Ort des Leidens und der Schmerzen, zum Gedenken an den 80. Jahrestag eines der tragischsten Ereignisse in der Geschichte des kroatischen Volkes – der sogenannten Bleiburger Tragödie und des Kreuzweges von mehreren zehntausend Kroaten, Soldaten wie Zivilisten.

Doch wir wissen, dass dies kein politisches, kein historisches und kein kulturelles Ereignis oder Gedenken ist. Wir sind hier in dieser Pfarrkirche versammelt um den Auferstandenen Erlöser, unseren Herrn Jesus Christus. Durch die Gegenwart seines Heiligen Geistes ist uns die Begegnung mit ihm möglich – in seinem Wort, im Brechen des Brotes des Lebens, in unserer Gemeinschaft. Er ermöglicht uns innere Freiheit und den Blick des Glaubens – auf unser Leben wie auf die Geschichte unseres Volkes, das nach Gerechtigkeit und Wahrheit ruft, nach Anerkennung des Leidens und nach Versöhnung.

Denn es gibt viele Perspektiven auf jeden Moment unseres Lebens, unserer Geschichte und unserer Zukunft. Doch der Blick, erfüllt von der Gegenwart Christi, ist ein anderer als alle anderen.

Die moderne Welt entstand aus dem Wunsch, einen „neuen Himmel und eine neue Erde“ zu schaffen. Die Entdeckung „neuer Welten“, der wissenschaftliche Fortschritt, das Streben nach einer besseren Menschheit waren durchdrungen vom Geist der Sehnsucht, diese Utopie zu verwirklichen – nicht außerhalb, sondern mitten in der Geschichte, in Treue zur Erde statt zum Himmel, den ihre Gegner als „Opium für das Volk“ bezeichneten. Die Zukunft, die der Mensch erschafft, wurde zum Prioritätserlebnis der Zeit. Eine Zukunft voller Frieden, Fortschritt und Wohlstand schien im 19. und frühen 20. Jahrhundert greifbar nah. So schien es auch nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ruf „Nie wieder Krieg“, doch wieder mit dem blinden Optimismus, der Mensch könne aus eigener Kraft alle Probleme der Geschichte lösen und für kommende Generationen Frieden und Wohlstand sichern.

Doch dann wich die „Ära der Hoffnung“ einer „Ära der Katastrophen“. Das spüren wir auch heute. Dieser Wandel der Epochen ist wohl am eindrucksvollsten im Bild „Angelus Novus“ des schweizerisch-deutschen Künstlers Paul Klee dargestellt, das der Philosoph Walter Benjamin als „Engel der Geschichte“ interpretierte. Darin erkennt er einen Engel, der sich von etwas entfernt, worauf sein Blick ruht: Die Augen aufgerissen, der Mund offen, die Flügel gespreizt. Für Benjamin zeigt das Bild einen Engel, „der dort, wo wir eine Kette von Ereignissen sehen, eine einzige Katastrophe erkennt, die unaufhörlich Trümmer auf Trümmer häuft.“ Der Engel möchte verweilen, die Verwundeten heilen, doch ein Sturm, der aus dem Paradies weht, treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während sich die Trümmer vor ihm bis in den Himmel türmen. Was wir Fortschritt nennen, ist in Wirklichkeit ein Sturm, der unablässig weiterfegt und hinter sich nur Zerstörung hinterlässt.

Das 20. Jahrhundert hat das Leben vieler Menschen vielleicht erleichtert, aber es brachte keine neuen Utopien, Ideen oder Visionen, die der Geschichte Sinn verleihen könnten. Es war geprägt von Ruinen und Opfern. Und es scheint, als sei auch unser 21. Jahrhundert nicht weit davon entfernt.

Was noch schwerer wiegt: Keine Zukunft kann das erlittene Leid ungeschehen machen oder beweisen, dass es nicht umsonst war. Alles das lehrt uns: „Es ist unmöglich, die Erfüllung der Geschichte innerhalb der Geschichte zu verwirklichen. Keine geschichtliche Zukunft hat dazu die nötige Kraft. Zudem kann die Vollendung der Geschichte nicht durch menschliches Handeln erfolgen, da der Mensch selbst ein geschichtliches Wesen ist.“ (J. Moltmann)

In diesen acht Jahrzehnten haben wir viele Interpretationen der Bleiburger Tragödie gehört, gelesen und gesehen – eines Geschehens, in dem Menschen allein deshalb ermordet wurden, weil sie Kroaten waren oder als ideologische Gegner gebrandmarkt wurden.

Darum fragen wir uns als Gläubige: Ist das wirklich die einzig mögliche Sichtweise? Gibt es einen anderen Blick? Wie gesagt, unser Blick auf die Geschichte und die Zukunft soll ein Blick sein, durchdrungen von der Gegenwart des Gekreuzigten und Auferstandenen Christus – ein Blick, der anders ist als jeder andere. Der Blick dessen, der seinen Jüngern, die verloren waren, aber Gottes Angesicht suchten, klar machte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“

Ohne Christus kann niemand teilhaben an der Erfüllung der Verheißung eines bereiteten Ortes, jener vielen Wohnungen, die er für uns bereitet hat – besonders für die, die unschuldig gelitten haben, die unterdrückt wurden, die mit Hoffnung und Glauben in den Tod gingen. Für sie war die Schaufel Erde auf ihren stummen Mündern, das Vergessen und der hasserfüllte Sieg ihrer Henker nicht das letzte Wort der Geschichte. Viele von denen, die durch die rachsüchtige Hand der Partisanen getötet wurden, glaubten an Christus. Sie hofften auf eine bessere Zukunft – doch sie wurden von den Trümmern der Geschichte eingeholt.

Hier, im Gedenken an die Bleiburger Tragödie und den Kreuzweg der kroatischen Menschen, wissen wir: Die kommunistischen Sieger glaubten, sie hätten das Recht zu allem. Unschuldige einzusperren, zu quälen, auszuhungern, ohne Prozess zu töten, in Gruben ohne Grabsteine zu werfen, ihre Erinnerung auszulöschen, damnatio memoriae als Prinzip ihres Handelns zu erheben, im Hass den Feind zu vernichten, nur weil er anders denkt, fühlt, hofft oder glaubt – das war das Fundament ihrer Herrschaft. Der Sieg, geleitet von Hass, Blindheit und ideologischer Verblendung, sah im Menschen nur den Feind, dem selbst das elementare menschliche Würdegefühl abgesprochen wurde. Diese Logik verfolgt uns bis heute – sie zeigt sich weiter unter dem Deckmantel des „Antifaschismus“, ohne Reue, ohne Anerkennung der eigenen Gräueltaten, und lässt die Nachkommen der Opfer mit offenen Fragen zurück: Wo sind unsere Angehörigen? Wird je öffentlich anerkannt, dass Verbrechen geschehen sind? Wird jemals Gerechtigkeit hergestellt?

Ja, sie haben gesiegt, aber sie haben keine menschliche Befreiung gebracht, keine Gerechtigkeit wiederhergestellt, keine Leiden geheilt – auch nicht jene, die einige ihrer Opfer wiederum anderen im Namen ihrer ebenso zerstörerischen Ideologien zugefügt haben. Sie haben unterschiedslos alle bestraft, die sich ihrer erbarmungslosen Ideologie widersetzten, im Glauben, so Frieden und eine utopische Zukunft zu sichern.

Wahrhaft christlich in die Vergangenheit zu blicken, ist unmöglich, wenn wir nur mit der Logik von Siegern und Besiegten arbeiten. Es ist unmöglich, mit innerem Frieden auf die Vergangenheit zu blicken, wenn wir nicht die Hoffnung in uns tragen, dass Gott selbst die Gebeine der ungerecht Getöteten auferstehen lassen kann. Wenn es keine Hoffnung für die Geschichte gibt – nicht in ihr –, keine Hoffnung für unsere Vergangenheit und Zukunft.

Diese Hoffnung ist nicht Frucht menschlichen Handelns oder der Vorstellung, der Mensch müsse „die Dinge regeln“. Eine solche Haltung führt unweigerlich zu neuen Totalitarismen, da sie sich im Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt verliert. Unsere Hoffnung hingegen erwächst aus dem Glauben an Gottes Verheißung, offenbart in Jesus von Nazareth, dem unschuldig geopferten Lamm. In seinem Sieg über den Tod, obwohl selbst unschuldig getötet, schenkt er seinen Jüngern Frieden, ermutigt und tröstet die Schwachen wie jene, die ihn verraten und verlassen haben. Er rächt sich nicht, verlangt nicht das Seine, sondern befreit den Menschen durch seinen Sieg zu neuen Horizonten – hin zu einer Zukunft mit Gott.

Der Ausgangspunkt seines Sieges und unseres Gedenkens ist die memoria passionis, das Gedächtnis des Leidens, das uns auffordert, uns mit unserem eigenen Schmerz und dem unserer Nächsten auseinanderzusetzen. Das Leiden des Anderen – gleichgültig, wer er ist, welcher Nation oder Religion er angehört oder welche politischen Ansichten er vertritt – ist die grundlegende Kategorie, die fast auf negative Weise den Anspruch auf Universalität begründet und gleichzeitig das Kriterium der Wahrheit in Zeiten des Pluralismus darstellt. Dieses Gedenken muss Grundlage unserer Verantwortung gegenüber der Welt sein, unserer Sorge für die Opfer, für die Leidenden, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Doch wir wissen: Wenn es um Bleiburg geht, ist das auch heute nicht selbstverständlich – nicht einmal in unserer Heimat Kroatien. Es erstaunt uns, dass auch heute noch manche dieses Verbrechen rechtfertigen, geblendet von demselben Hass und derselben Geschichtsverzerrung wie die kommunistischen Henker, die zehntausende Menschen in den Tod führten.

Alle Forderungen nach „Wahrheit“, die über dem menschlichen Leid stehen oder es relativieren, sind ideologische Konstrukte, die für Christen und alle Menschen guten Willens niemals Maßstab sein dürfen. Unser Glaube, erleuchtet vom Licht des Auferstandenen, ruft unermüdlich zur Sensibilität für das Leid und die Leidenden auf und nimmt Verantwortung für das, was in der Welt geschieht – ohne Flucht, ohne Rückzug.

Wir sind nicht hier, um gescheiterte Ideologien zu feiern oder um die Täter zu verfluchen. Wir pflegen das Gedenken, damit die zum Schweigen gebrachten Opfer nicht stumm bleiben und ihnen ihre menschliche Würde zurückgegeben wird. Wir erinnern uns an die Opfer, damit das Böse und die Lüge nicht siegen, damit Täter und ihre Verteidiger nicht im Frieden leben und glauben, unantastbar zu sein.

Aber wir tun das nicht aus Rachsucht, sondern damit die Opfer schon in dieser Welt wissen: Ihr Leid war nicht umsonst. Wir reinigen heute Abend unsere Erinnerungen und die unseres kroatischen Volkes im Licht des Evangeliums. Der Mensch und die Gesellschaft sind nicht in erster Linie von technischer, funktionaler, wissenschaftlicher oder pragmatischer Rationalität geprägt – so erfolgreich sie auch erscheinen mögen –, denn sie geben keine Antwort auf die Frage: Was wird mit dem Leid der Unschuldigen? Wird es vergessen, verleugnet, missbraucht?

Um unseren Blick zu klären, müssen wir klar aussprechen: Alle Stätten des Grauens und alle Ideologien, die zum Zweiten Weltkrieg führten, sind böse und durch nichts zu rechtfertigen. Ebenso müssen wir jenen, die immer noch die Augen verschließen und sich auf die Logik der Sieger berufen, die sich „alles erlauben dürfen“, deutlich sagen: Auch Bleiburg ist eine Folge des Bösen – des kommunistischen Regimes, das diktatorisch war, Menschen verfolgte und tötete, die sich seiner Ideologie nicht unterwarfen. Die historischen und juristischen Dimensionen und Konsequenzen müssen mit historischen und juristischen Mitteln aufgearbeitet werden – doch die Sorge um die Opfer, Vergebung und Versöhnung, so unmöglich sie erscheinen mögen, gründen auf der Überzeugung: Das Leid und die Würde der Opfer müssen immer an erster Stelle stehen.

Deshalb müssen wir immer neu den Blick Christi suchen, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Leben – nicht Tod. Das ist es, was unser Gewissen und unser Handeln durchdringen muss. Nur so werden wir eine Zukunft gestalten, die nicht auf den Trümmern der Vergangenheit, sondern auf der Hoffnung ruht, dass Gott seinem Versprechen treu bleibt: „Wer auf ihn vertraut, wird niemals zugrunde gehen.“

Brüder und Schwestern, wir befinden uns im Monat Mai, einem der schönsten Monate des Jahres. Ein Monat, in dem neues Leben erwacht und erblüht – aber auch ein Monat, der in unserem Land wie weltweit vom Gedenken an die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit durchdrungen ist. Unter jenen, die in Gebet und Dichtung ihren Schmerz über die Nachkriegstragödie des kroatischen Volkes besonders zum Ausdruck brachten, war auch der große kroatische Denker und Dichter, der Dominikaner Rajmund Kupareo. Der Gottesmutter Maria widmete er mehrere Gedichte – darunter eines mit dem Titel:

Trösterin der Betrübten
Consolatrix afflictorum

Warum ersehnt ihr noch finstere Nächte,
Dass eure Tränen sie aufsammeln,
Wenn doch die Sonne noch den Velebit erklimmt,
Um im Vorübergehen die Hirtin zu küssen?

Euer schönes Land erfriert nicht im ewigen Eis.
Es bringt Rosen hervor, fröhliche Jugend.
Die Sterne baden sich in seiner Adria,
Und in jeder Kiefer schlummert der Frühling.

Lasst eure Augen leuchten
Mit dem Feuer, das in den Blicken eurer Kinder brennt!
Ach, wenn ihr wüsstet, wie in der stummen Morgendämmerung
Euer Weinen ihre Herzen berührt!

Lasst nicht zu, dass die Verzweiflung euch blind beherrscht!
Eure Hügel lieben euch unermesslich.
Lasst die Hoffnung zu ihnen hinaufsteigen,
Dann wird selbst das Sterben schön sein!

Lassen wir zu, dass – erfüllt vom Blick Christi und dem Beistand Mariens – die Hoffnung tatsächlich hinaufsteigt zu all jenen, an die wir uns heute Abend im Gebet erinnern. Amen.