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Bischof von Krk Ivica Petanjak: "Warum erniedrigen wir uns durch die ganze Geschichte und warten und verlangen von den Anderen, dass sie über uns urteilen und uns ihre Wahrheit aufzwingen?"

Zagreb (IKA)

"Wir haben in den letzten Monaten verstanden, dass wir in der EU leben, aber auch, dass uns ganz starke und große Grenzen trennen. Das Leben im vereinten Europa ist nur ein Schein."

4.Ostersamstag, Apg 13,44-52; Joh 14, 7-14

Bleiburg, am 18. Mai 2019

Liebe Brüder und Schwestern!

Nach 74 Jahren sind wir wieder an dem Ort, an dem der Kreuzweg unseres Volkes angefangen hat. Schon der Name Kreuzweg ist ein Zeichen dafür, dass unser Volk sein nachkriegerisches Schicksal mit dem Kreuzweg Jesu in Verbindung gebracht hat. Gerade das gab ihm die Kraft auf seinem Kreuzweg nicht nachzulassen, sondern jedes Leid und jeden Schmerz zu ertragen, im Glauben, dass nach dem Kreuz die Auferstehung folgt.

Bevor sich Jesus Christus seinen Feinden ausgeliefert hat, hielt er mit seinen Jüngern das Abschiedsmahl und sagte ihnen, dass sie dasselbe tun, wenn sie sich in seinem Namen versammeln. In den 2000 Jahren blieb die Kirche dem Jesu Auftrag treu. Ihr war klar, dass sie sich allen Herausforderungen dieser Welt nur dann stellen kann, wenn in ihr das lebendige Bewusstsein und die Erinnerung an das Heilswerk Jesu Christi existiert.

Wir feiern hier die Eucharistie für alle Verstorbenen unseres Volkes, weil wir glauben, dass wir ihr Opfer mit Jesu Opfer vereinen und nicht erlauben, dass die Erinnerung an sie aus dem Gedächtnis unseres Volkes verschwinden kann, sondern dass dieses Gedenken mit dem auferstandenen Herrn die himmlische Herrlichkeit erleben wird.

Die Verstorbenen sind nicht begraben, wenn sie begraben sind, sondern wenn sie vergessen werden. Das Gebet und das Gedenken an sie ist das Einzige was wir ihnen geben können und was uns niemand wegnehmen kann.

Das Gedenken oder die Erinnerung ist das Grundmerkmal menschlichen Lebens, welches dem ganzen Leben seinen Sinn gibt. Wenn dem Menschen die Erinnerung weggenommen wird, ist er nicht einmal gleich einem Tier, das auch eine Art von Erinnerung hat.

Da viele von uns ihre Großväter nie kennengelernt haben, sind wir unseren Großmüttern und Eltern dankbar, die in uns die ganze Zeit das lebendige Bewusstsein unserer Zugehörigkeit am Leben erhalten haben. Der Glaube an Jesus Christus und die Erinnerung an unsere Vorfahren gab und gibt uns die Kraft, dass wir in der Vergangenheit und Gegenwart aushalten, wenn man uns mit Gewalt unser Gedächtnis löschen möchte, weil wir sehr gut wissen wie der Mensch ist, der dieses Gedächtnis verloren hat.

Nicht nur für Jesus Christus, sondern für die ganze Heilsgeschichte und für das biblische Erbe sind die Erinnerung und das Gedächtnis sehr wichtig.

Gott erinnert sich an sein Volk, seine Versprechen, seinen Bund und unterstützt das Volk nicht den Bund zu vergessen, den er mit seinen Vätern geschlossen hat. Das Volk sollte sich an die Gottes Werke erinnern und sie den nächsten Generationen weiter überliefern. Wenn Gott warnt, dass man das Vergangene nicht vergessen darf und dass man daraus lernen soll, wer darf dann dem Gottes Wort und Gottes Gesetz widersprechen?

Mögen alle, die uns heute sehen und hören können, zu verstehen versuchen, dass sie solche Versammlungen nicht vernichten können, weil uns unsere Großmütter und Eltern, neben der Erinnerung an die vergangenen Geschehnisse, nicht den Hass, sondern das Gedächtnis im Lichte des christlichen Glaubens, übertragen haben. Wir sind nicht hier, weil wir jemanden hassen, sondern deshalb, weil wir die Unseren lieben, für sie beten und ihr Leben der Gottes Barmherzigkeit anvertrauen.

Wir glauben, dass Gottes Wort ewig ist und eine unvergängliche Bedeutung hat. Es beinhaltet in sich die Botschaft für die Jungen und Alten, Gesunden und Kranken, Lebenden und die Toten. Deshalb wollen wir uns kurz diesen liturgischen Lesungen widmen, die heute in der ganzen katholischen Welt gelesen werden.

Während der 50 Tage der Osterzeit hören wir täglich über die Verbreitung des Evangeliums nach der Auferstehung Jesu und über das Leben der ersten Christen, wie es der heilige Lukas in der Apostelgeschichte geschildert hat. Diese Apostelgeschichte offenbart eine große Wahrheit, die man in einem Satz zusammenfassen kann: „Jedes Werk, dem Gott der Autor ist, macht den Menschen große Probleme.“ (vgl. P.Bossuyt-J.Radermakers, Lettura pastorale degli Atti degli apostoli, EDB, Bologna 2001, S.396).

Gott schafft und initiiert solche Ereignisse, dass den Menschen schwindelig wird, aber sie können sich nicht helfen, weil sie Gottes Werk sind.

Wir sind begeistert, wie die erste christliche Gemeinde, gestärkt durch den Heiligen Geist, den Auftrag Jesu treu durchgeführt hat und in die ganze Welt gegangen ist, um das Evangelium allen Geschöpfen zu predigen (vgl. Mk 16,5). Wir fragen uns wie konnten so wenige Menschen solche eine enorme Kraft finden, um die Grenzen zu überwinden und so aus engen Jerusalemer Kreisen auszubrechen und den Namen Jesu bis ans Ende der Welt zu tragen und dabei in der Überlieferung und in der Tradition seines Volkes verwurzelt zu bleiben?

Wir haben gerade gehört, dass der Apostel Paulus, der sein Volk so geliebt hat, wegen seines Heiles bereit war für immer verdammt zu sein und von Jesus getrennt zu werden (vgl. Röm 9,3). In Antiochien musste er eine schwere Entscheidung treffen. Er sagte seinen Landsleuten, dass, wenn sie nicht Jesus Christus annehmen würden, er zu den Heiden ginge, weil er nicht wollte, dass die anderen Völker wegen Israels Untreue aus dem Gottes Heilswerk ausgeschlossen werden (vgl. Apg. 13, 46-52). Paulus hatte Kraft, um mit seinen Mitarbeitern die Grenzen zu überwinden und sich an alle Völker zu wenden, dabei vergaß er aber nie das eigene Volk und sein Heil.

Wir haben in den letzten Monaten verstanden, dass wir in der EU leben, aber auch, dass uns ganz starke und große Grenzen trennen. Das Leben im vereinten Europa ist nur ein Schein.

Genauso wie in den ersten christlichen Zeiten, als sich die Gemeinde mit sich selbst konfrontieren musste, stellte uns vor die Grenze eine Meinung, die aus unserer katholischen Mitte gekommen war und so mithalf, dass alle, die in den letzten Jahrzenten mit aller Kraft in unserem Volk die Erinnerung an das Vergangene löschen wollten, wieder ihre Köpfe erhoben und somit eigentlich zeigten wie viel Dunkelheit in ihren Herzen herrschte.

Jeder vernünftige Mensch kann merken wie groß die Grenzen sind, die uns trennen und dass wir noch viele überwinden müssen, damit wir gemeinsam hören und auf einem Tisch das gemeinsame Mahl halten können.

Die ganze christliche Botschaft in den apostolischen Zeiten drehte sich um die zwei Wirklichkeiten; Wort und Brot, das sind die Faktoren ohne die kein gemeinsames Leben existieren kann.

Nur wenn wir das Wort der Wahrheit hören wollen, können wir an einem gemeinsamen Tisch sitzen; das Mahl halten ist viel mehr als nur das Essen zu sich zu nehmen. Speisen an einem gemeinsamen Tisch inkludiert die Gemeinschaft in der jeder so akzeptiert wird wie er ist, mit seinen Besonderheiten, die man als Geschenke verstehen soll, die die Gemeinschaft untereinander bereichern und zur Einheit führen.

Wir, heute, an diesem Ort, bei der ersten Station des Kreuzweges unseres Volkes, müssen den Herrn anflehen und ihn für die Gaben seines Geistes bitten, die wie einst zu erstem Pfingsten, die Grenzen, in uns, in unseren Familien, unserem Volk und in der Kirche Jesu Christi verbrennen und vernichten mögen.

Ich glaube, dass in unserem Volk sehr viele weise und anständige Menschen gibt, die bereit sind ihr Herz und ihren Verstand der Wahrheit zu öffnen und an die Wahrheit zu glauben, ohne zu warten, dass diese Wahrheit aus Europa oder aus der Übersee kommt.

Warum erniedrigen wir uns durch die ganze Geschichte und warten und verlangen von den Anderen, dass sie über uns urteilen und uns ihre Wahrheit aufzwingen?

Der heilige Paulus fragte mit dem schmerzenden Herz die Christen in Korinth: „Ich sage das, damit ihr euch schämt. Gibt es denn unter euch wirklich keinen, der die Gabe hat, zwischen Brüdern zu schlichten? Stattdessen zieht ein Bruder den andern vor Gericht, und zwar vor Ungläubige. Ist es nicht überhaupt schon ein Versagen, dass ihr miteinander Prozesse führt?“ (1 Kor 6, 5-7).

Bis wann werden wir die Prozesse unter uns führen und streiten? Bis wann sollen die Anderen über uns urteilen und uns sagen was die Wahrheit ist? Wann werden wir das Wort der Wahrheit hören wollen und uns zu einem Tisch setzen und in der Gemeinschaft wie Geschwister leben?

Gestern hat uns Jesus im Evangelium gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), und heute sagt er uns: Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, werde ich tun (vgl. Joh 14,3).

Bitten wir den Vater im Himmel, dass er uns im Namen Jesu das Herz und den Verstand öffnet, damit wir die Wahrheit erkennen können, weil diese uns befreien wird (vgl. Joh 8,32).

Jesus sollte uns das Herz öffnen, weil ich glaube, dass unser Verstand gesund ist, aber das Herz ist hart und in ihm herrscht Dunkelheit.

Jesus, mit dem barmherzigen und reinen Herzen, mach unser Herz nach deinem Herzen, damit unsere Verstorbenen endlich ihre Ruhe und ihren Frieden finden können und wir endlich als ein Volk in Liebe und Einheit unsere Zukunft bauen und mit dem Segen Gottes fortschreiten.

 

+ Ivica Petanjak, Bischof von Krk